Der Mann, der die Werfer formt

Rainer Wiebe hat einen Full-Time-Job. Danach bringt er die Leichtathleten des Bad Doberaner SV auf Trab.

Bad Doberan. Nach einem anstrengenden Arbeitstag fahren die meisten von uns nach Hause, legen sich wahlweise auf die Couch, pflegen ihren Garten oder gehen mit ihrem Hund Gassi. Nicht so Rainer Wiebe. Der 54-Jährige sucht Selbstverwirklichung im Ehrenamt und findet sie beim Bad Doberaner SV. Dort wird er gebraucht – als Werfer-Trainer der jungen Leichtathleten.

Die neue Tartanbahn auf dem Sportplatz am Stülower Weg scheucht er seine Schützlinge jeden Mittwoch rauf und runter: Anfersen, Kniehebelauf oder Hopserlauf – nichts aus dem Lauf-Abc lässt Rainer Wiebe aus, um die Kinder auf Temperatur zu bringen. Anschließend werden Gelenke und Muskeln des Wurfapparats erwärmt. Bis die ersten Speere durch die Luft fliegen, ist schon fast eine Trainingsstunde vergangen. ‘Eine gute Erwärmung ist das A und O. Sie schützt vor Verletzungen’, sagt der Coach.

Er muss es wissen, denn Erfahrung als Übungsleiter hat er seit 2002 genügend gesammelt. Damals waren seine beiden Söhne Hein und Tim erfolgreiche Sportler beim DSV. ‘Ihr Trainer Dieter Schmidt brauchte Unterstützung bei den Trainingseinheiten. Also habe ich mich bereit erklärt, das Wurftraining zu übernehmen, weil ich als Jugendlicher selbst Leichtathletik gemacht habe’, erinnert sich Wiebe. Das nötige Wissen hat er sich in einem Übungsleiterlehrgang sowie von Dieter Schmidt, Mark Frank (deutsches Speerwurf-Ass aus Rostock/d. Red.) und Ralf Skopnik (Vorsitzender des 1. LAV Rostock/d. Red.) abgeschaut. ‘Und wenn du das dann über Jahre machst’, sagt er, ‘dann bist du irgendwann drin.’

Viele Kinder und Jugendliche sind seitdem durch die Schule von Rainer Wiebe gegangen. Namen wie Johanna Pügge, Paulina Gottschanderl, Kai Gieraß oder Lara Kempka fallen ihm da sofort ein. Die richtig Guten, wie Kai und Lara, musste er allerdings mit einem lachenden und einem weinenden Auge irgendwann ziehen lassen. ‘Mit 14 Jahren müssen die großen Talente spätestens auf die Sportschule, damit sich das für den dortigen Trainer noch lohnt’, sagt Rainer Wiebe. Wichtig sei dann nicht unbedingt die Weite, sondern die vorhandene Technik. Damit könne der neue Coach dann weiterarbeiten.

Zu seinen aktuellen Schützlingen zählen Sportler wie Luca Fröhle, Mareen Bürger sowie Marietta und Theresa Flacke. Mit ihnen und weiteren Kindern fährt Rainer Wiebe regelmäßig in den Sommerferien ins Trainingslager nach Güstrow. Dafür sammelt er extra Überstunden auf Arbeit, um abkömmlich zu sein. ‘Die Überstunden schenke ich dann quasi dem Verein’, sagt er. Sowieso stehe sein Arbeitgeber TTZF-Rostock, der Türe, Tore, Zargen und Fertiggaragen vertreibt, voll hinter ihm: ‘Ich kann mit zu größeren Wettkämpfen fahren und auch mal einen Transporter leihen, um die Speere, Diskusse und andere Geräte zu transportieren’, bedankt sich der gelernte Schmied und Handwerksmeister.

Während er erzählt, wandert sein kritischer Trainerblick immer wieder zu den Wurfversuchen der jungen Sportler. ‘Wenn das Ende des Speers so eine Hubschrauber-Bewegung macht, dann war das im Grunde ein guter Wurf’, erklärt der Doberaner.

Die Kinder jedenfalls sind froh, ihren Trainer zu haben. ‘Er ist sehr ehrgeizig und kann auch mal streng sein, allerdings er ist ein sehr guter Coach’, sagt Luca Fröhle. Rainer Wiebe hat ebenfalls seinen Spaß mit ihnen: ‘Es ist mein Hobby, Sportler in ihren Disziplinen weiterzuentwickeln’, erklärt er den Grund, wieso es ihm überhaupt nicht schwer fällt, mittwochs nach der Arbeit noch zum Sportplatz zu fahren. ‘Und wenn die Kinder dann auch noch erfolgreich sind, ist es doppelt so schön.’

Karen Mühlbach

(Quelle: http://www.ostsee-zeitung.de)