Gewichte stemmen in der Garage

Im Haus von Mark Frank und seiner Familie wird zurzeit viel improvisiert. Weil in Rostock wegen der Corona-Pandemie sowohl das Leichtathletikstadion als auch die Laufhalle gesperrt sind, hat der Speerwurf-Bundestrainer das eigene Zuhause in ein provisorisches Trainingsdomizil umgewandelt.

Rostock. Gewichte stemmen in der Garage, Krafttraining auf der Terrasse – im Haus von Mark Frank und seiner Familie wird zurzeit viel improvisiert. Weil in Rostock wegen der Corona-Pandemie sowohl das Leichtathletikstadion als auch die Laufhalle für jegliche Nutzung gesperrt sind, hat der Speerwurf-Bundestrainer das eigene Zuhause auf dem Lande in ein provisorisches Trainingsdomizil umgewandelt. Schließlich sollen seine Schützlinge um Sohn Eric (18), der zu den besten deutschen Speerwerfern gehört, U-20-Vizeeuropameisterin Julia Ulbricht (19), und Emely Grenzer (17), Fünfte der Deutschen Meisterschaften, nach dem Winter gut vorbereitet in die mit vielen Fragezeichen versehene Saison gehen. ‘Wir machen behelfsmäßig was in der Garage und ein bisschen Crossfit auf der Terrasse. Aber man kann nicht alles hundertprozentig imitieren’, beschreibt Mark Frank das Übungsprogramm.

Vor zwei Wochen ist der 42-Jährige aus einem Trainingslager in der Türkei zurückgekehrt. 14 Tage lang hatten der Mainzer Julian Weber, der ebenfalls beim 1. LAV Rostock trainiert, und Julia Ulbricht in Belek bei Antalya zusammen mit den anderen deutschen Spitzenwerfern weitere Grundlagen für die Freiluft-Saison gelegt. Doch seit einer Anweisung des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, mit dem nächstmöglichen Flieger nach Hause zu kommen, und ihrer überstürzten Rückreise ist nichts mehr, wie es mal war. Daheim stehen die Rostocker Wurf-Asse vor verschlossenen Türen und einer völlig ungewissen Leichtathletik-Saison.

‘Bis Ende Mai sind alle Wettkämpfe abgesagt’, berichtet Frank. Das betrifft nach der Bahneröffnung am 1. Mai vor allem die traditionellen Werfer-Events zum Saisoneinstieg in Offenburg, Halle/Saale und Schönebeck. ‘Ich bin sicher, dass wir auch die Deutschen Meisterschaften nicht zum geplanten Termin am 5./6. Juni erleben werden’, fügt der einstige Weltklasse-Werfer hinzu. ‘Vor Mitte, Ende Juli werden wir kaum in einen geregelten Sportbetrieb gehen.’

Durch die Olympia-Verschiebung ist dem Frauen-Bundestrainer und seinen Athletinnen nun zumindest eine große Last genommen. ‘Endlich ein klares Signal, das haben wir gebraucht. Wir trainieren nicht mehr ins Blaue hinein’, atmet der Diplomtrainer tief durch.

Was durch die Corona-Krise in diesem Jahr für seine Athleten nun noch machbar und zu erreichen ist, steht für Mark Frank durch den Abbruch des regulären Trainings in den Sternen. Julia Ulbricht hätte bei optimalem Verlauf vielleicht die Leichtathletik-EM Ende August in Paris anvisieren können. Doch Infekte warfen die talentierte WM-Vierte zuletzt immer wieder zurück. Zudem steht hinter der EM selbst ein großes Fragezeichen.

Julia nennt ihr derzeitiges Training ‘ziemlich alternativ’. ‘Wir machen viel Stabilisierungs-Übungen in der Wohnung oder auf dem Balkon. Sprint- und Sprungtraining machen wir im Barnstorfer Wald.’ Dazu würden sie sich mit dem Trainer ein bis zweimal pro Woche verabreden, berichtet die aus Prerow stammende Werferin. Sie trainiere jetzt auf Mitte des Sommers hin, genauer kann sie das nicht sagen. ‘Es steht noch nichts wirklich fest, alles ist komplett ungewiss’, beklagt Julia Ulbricht. ‘Im Moment müssen wir uns den ganzen Bedingungen immer wieder anpassen und trotzdem fit bleiben. Das ist für Sportler natürlich unbefriedigend.’

Der WM-Sechste Julian Weber hält sich zurzeit bei seiner Freundin in Berlin fit, so gut es geht. Der Mainzer, der eine Bestweite von 88,29 m (2016) zu Buche stehen hat, sei nach einer Fuß-Operation ‘noch nicht wieder voll belastbar’, sagt Mark Frank. Seinen Sohn Eric hätte er in diesem Jahr eine kleine Chance eingeräumt, das Ticket zur Junioren-WM in Kenias Hauptstadt Nairobi zu lösen. ‘Aber ganz ehrlich’, sagt der Vater, ‘in diesen Zeiten würde ich mein Kind dort nicht hinschicken’. Der WM-Termin im Juli wurde mittlerweile auf einen unbekannten Zeitpunkt verschoben.

Und so versuchen sich alle mehr oder weniger gut in Form zu halten. ‘Eine Trainingsplanung mache ich nicht mehr. Wir sprechen uns täglich über die WhatsApp-Gruppe ab und passen das Training an’, erzählt der dreimalige WM-Achte. ‘Eigentlich kommt jetzt die Phase, in der wir die Würfe ausprägen müssten. Durch die Sperrung aller Sportanlagen geht das aber nicht. Wir trainieren gerade so, dass wir nicht komplett die Form verlieren’, berichtet Mark Frank. ‘Die größte Herausforderung besteht nun darin, die Motivation bei allen hoch zu halten. Damit kann man sich eine gewisse Zeit über Wasser halten, doch irgendwann braucht man mal Klarheit. Die hat im Moment aber keiner.’

Von Kai Rehberg

(Quelle: https://www.ostsee-zeitung.de/Sportbuzzer/Sportmix/Leichtathletik/Speerwurf-Bundestrainer-Mark-Frank-muss-Training-mit-seinen-Schuetzlingen-vom-1.-LAV-Rostock-komplett-improvisieren)