Leichtathletik-Chef: “Wir müssen wieder Optimismus reinbringen”

Sönke Fröbe
Ostsee-Zeitung

LVMV-Präsident Hansjörg Kunze © Ove Arscholl

Ex-Weltklasseläufer Hansjörg Kunze ist neuer Präsident des Leichtathletik-Landesverbandes von Mecklenburg-Vorpommern. Mit dem SPORTBUZZER spricht der Rostocker über Pläne, Perspektiven und Probleme des LVMV.

Wechsel an der Spitze des Leichtathletik-Landesverbandes (LVMV): Hansjörg Kunze wurde einstimmig zum neuen Präsidenten des LVMV gewählt und tritt damit die Nachfolge von Kristin Behrens an, die im November hauptberuflich zum Deutschen Leichtathletik-Verband nach Darmstadt gewechselt ist. Seitdem hatte Frank Benischke (Neubrandenburg) kommissarisch den LVMV geführt. Kunze ist für vier Jahre gewählt, der SPORTBUZZER sprach mit dem einstigen Weltklasse-Läufer über Pläne, Perspektiven und Probleme des etwa 5500 Mitglieder starken Verbandes.

Wer oder was hat Sie motiviert, dieses Amt anzutreten?

Ein paar Leute aus dem Landessportbund (LSB) und dem Leichtathletikverband haben angefragt, ob ich nicht Lust hätte, ein paar Impulse mitzusetzen. Ich habe mir das in Ruhe überlegt, auch den einen oder anderen Funktionär, Trainer und Ex-Sportler gefragt und bin dann zu dem Schluss gekommen: Es ist richtig und wichtig sich zu engagieren, weil wir keine einfachen Zeiten haben und auch nicht haben werden.

Für Sie ist es eine Art Comeback als Sport-Funktionär.

Wenn man so will, ja. Mein letztes Amt war im Rahmen unserer Olympia-Bewerbung das des Präsidenten des Olymp-Clubs Rostock. Und ich war dabei, als der 1. LAV Rostock aus der Taufe gehoben wurde und kurzzeitig auch dessen Vorsitzender. Im Präsidium des Leichtathletik-Verbandes bin ich seit November kooptiertes Mitglied, konnte mich also schon ein bisschen orientieren.

Was wollen und müssen Sie anpacken?

Nach mehr als zwei Jahren Pandemie haben wir viel aufzuholen. Diese Zeit war für den Sport insgesamt, die Ehrenamtlichen, Trainer und Kinder eine extreme Belastung. Unser Verband verzeichnet einen leichten Mitgliederrückgang, von etwa 6000 auf 5500 Mitglieder. Nicht nur bei uns haben während der Pandemie die Einschulungen der kleinen Sportlerinnen und Sportler gefehlt. Aber auch am oberen Rand haben wir die Älteren teilweise verloren, weil Vereine aufgegeben haben, kein Angebot mehr da war. Wir müssen zusehen, dass auch bei den Senioren die Angebote lebendig bleiben. Mir ist es ganz wichtig, dass wir insbesondere die Masters- und die Laufbewegung wieder stärken. Während der Pandemie hat man auch gemerkt, dass der Schulsport mit der Leichtathletik nicht die Priorität eins im Land war.

Das würden Sie gerne ändern?

Wir müssen um mehr Sichtbarkeit kämpfen. Leichtathletik ist ein Grundsportart, die eigentlich alle brauchen. Da gilt es, zusammen ordentlich Energie reinzustecken, um da wieder sehr gut rauszukommen. Wir treten auch an, um die hauptamtlichen Trainer und die vielen Ehrenamtlichen mit einer starken und offenen Kommunikation zu motivieren, in unserer Sportart weiter Gas zu geben.

Wie bewerten Sie den Ist-Zustand der Leichtathletik in MV?

Als ich meine aktive Karriere beendet habe, waren Rostock, Schwerin und Neubrandenburg internationale Hochburgen. 1980 war ich in einer Wohneinheit mit Hochspringer Gerd Wessig, der mit einer Goldmedaille von den Olympischen Spielen wiederkam. Christian Schenk, Marita Koch – alles große Namen. Deshalb freut es mich besonders, dass zum Beispiel Astrid Kumbernuss angeboten hat, mich zu unterstützen. Sie ist ja die Fachfrau, was Karriere, Training und Vermarktung betrifft.

Was haben die einstigen Hochburgen heute zu bieten?

Vor allem in Neubrandenburg im Bereich Wurf/Stoß, aber auch mit dem Speerwurf in Rostock und dem Stabhochsprung in Schwerin ist ja noch einiges vorhanden. Claudine Vita, Tom Gröschel, Tom Linus Humann – das sind Sportler, auf die wir setzen. Natürlich müssen wir schauen, ob wir ihr Potenzial noch besser ausschöpfen können.

Was ist der Schwerpunkt Ihrer Arbeit? Geht es darum, eine gute Balance zwischen Spitzen- Breiten- sowie Kinder- und Jugendsport zu finden?

Unsere Kernkompetenz im Präsidium ist der Kinder- und Jugendsport. Der Spitzensport ist eher im LSB organisiert. Wir müssen einerseits den Status der Olympiastützpunkte verteidigen, die tollen Traditionen bewahren und andererseits neue Impulse setzen. Wir wollen Kinder und Jugendliche für die Leichtathletik begeistern, aber auch Trainer und Ehrenamtliche bei der Stange halten. Und, wie gesagt: Es geht um Sichtbarkeit. Wir müssen uns anschauen, ob es für die Vermarktung unserer Sportart noch ein paar coole Ideen mehr gibt.

Was können Sie dazu beitragen, Talente im Land zu halten?

Mit dem Thema habe ich mich tatsächlich schon vor fast 30 Jahren mit dem 1. LAV Rostock beschäftigt. Wir haben damals einen Verein gegründet, der Sportler im Land gehalten hat. Aber scheinbar ist das Abitur und die darauffolgende Berufsentscheidung bei uns im Land eine Art Sollbruchstelle. Wir werden zusammen mit den Universitäten, der Polizei oder der Marine genau gucken, was wir da besser machen können.

Wie bewerten Sie, nach zwei Jahren Pandemie, die Perspektive für die Leichtathletik im Land?

Das Glas ist halbvoll. Wir kommen jetzt ins Frühjahr, es sind wieder Wettkämpfe möglich, sogar noch in der Halle. Die Sportler stehen in den Startlöchern, um durchzustarten, zu alter Stärke und noch ein Stückchen darüber hinauskommen. Es muss uns gelingen, wieder Optimismus reinzubringen.

Sie haben bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul Bronze über 5000 Meter gewonnen. Schnüren Sie, fast dreieinhalb Jahrzehnte danach, heute noch die Laufschuhe?

Ich bin eher passiv. Die beste Sportlerin in meiner Familie ist meine Frau Steffi, die mich regelmäßig scheucht, damit ich 10.000 oder auch mal 20.000 Schritte am Tag mache.

(Quelle: https://www.sportbuzzer.de/artikel/leichtathletik-chef-wir-mussen-wieder-optimismus-reinbringen/)